Tecklenburger Land, 28.05.2021. Auf die Betreiber von großen Anlagen zur Ökostrom-Produktion kommen Veränderungen zu. Denn wie es der Gesetzgeber vorschreibt, spielen EEG- und KWK-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 100 kW ab dem 1. Oktober 2021 eine gewichtigere Rolle im Zusammenwirken von Stromproduzenten, Netzbetreibern und Versorgern. Unter dem Stichwort Redispatch 2.0 werden die Prozesse zum Einspeisemanagement und zur Abrechnung neu geordnet. Im Versorgungsgebiet der SWTE Netz, der Netzgesellschaft der Stadtwerke Tecklenburger Land, sind im ersten Schritt gut 190 Anlagenbetreiber betroffen.
„Der Redispatch 2.0 verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele“, erläutert Tobias Koch, Geschäftsführer der SWTE Netz. „Zum einen räumt der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern eine größere Bedeutung im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken ein. Zum anderen soll die Versorgungssicherheit vor dem Hintergrund der Energiewende auch in Zukunft gewährleistet bleiben.“
Mehr als 6.000 Einspeise-Anlagen im Gebiet der SWTE Netz
Das Thema Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern spielt im Versorgungsgebiet der SWTE Netz eine gewichtige Rolle. So zählt die SWTE Netz zum Stichtag 1. Januar 2021 mehr als 6.000 Einspeiseanlagen mit einer Einspeiseleistung von mehr als 120 Megawatt Strom. „Das entspricht rund einem Achtel der Einspeiseleistung des ehemaligen RWE-Kraftwerks in Ibbenbüren“, sagt Andre Freude, der bei der SWTE Netz die Abteilung Netzvertrieb und Vertragsmanagement leitet.
Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren Energien
Ein Schlüssel zur Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft ist der permanente Datenabgleich zwischen Stromproduzenten und Versorgungsnetzbetreibern. Im Zusammenspiel mit konventionellen Kraftwerken ist dieser Prozess – er wird im Fachjargon als Marktkommunikation bezeichnet – eingespielt. Steigt die Spannung im Stromnetz, müssen bei Bedarf Kraftwerke heruntergeregelt werden. Erhöht sich der Strombedarf, wird das Zuschalten größerer Energiemengen erforderlich. Dazu stehen Stromproduzenten und Netzbetreiber in ständigem Daten-Austausch. Diese Prozesse werden mit dem Redispatch 2.0 nun auch auf die Regelung von regenerativen Anlagen übertragen.
Keine Nachteile für Betreiber bei der Einspeisevergütung
Damit verbunden sind neue Schnittstellen für die Abrechnung der eingespeisten Energie. „Dazu muss im ersten Schritt die Marktkommunikation zwischen Netzbetreibern und Betreibern von EEG- und KWK-Anlagen und Stromspeichern ab 100 kW auf neue Füße gestellt werden“, erklärt Frank Möllenbeck, Kaufmännischer Leiter der SWTE Netz. „Den Anlagenbetreibern entstehen durch die Neuregelungen keine Einbußen bei der Einspeisevergütung“, betont er. Sollte eine Anlage im Zuge von Steuerungsmaßnahmen abgeschaltet werden, steht dem Betreiber eine Auffangvergütung zu.
Digitale Austauschplattform
Wie in der Energiewirtschaft üblich, erfolgt der Datenaustausch zwischen den einzelnen Marktrollen automatisiert und verschlüsselt in standardisierten, maschinenlesbaren Formaten, zum Beispiel EDIFACT oder XML. Aktuell entsteht für die Energiewirtschaft in Deutschland eine neue digitale Austauschplattform, auf der diese Prozesse abgewickelt werden. Zum 1. Oktober 2021 soll sie an den Start gehen.
Drei neue Marktrollen für Ökostrom-Produzenten
Die Bundesnetzagentur als zuständige Regulierungsbehörde sieht neue Rollen in der Marktkommunikation vor. So müssen die Betreiber von EEG- und KWK-Anlagen ab 100 kW neue Marktrollen besetzen. Zum einen müssen sie ihrem Netzbetreiber einen Anlagenbetreiber benennen. Das ist eine natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, die eine EEG, KWK- oder Speicher-Anlage betreibt.
Einsatzverantwortlicher (EIV) und Betreiber der technischen Ressource (BTR)
Zum anderen müssen Anlagenbetreiber einen Einsatzverantwortlichen (EIV) und einen Betreiber der technischen Ressource (BTR) benennen. So muss der EIV unter anderem dem Netzbetreiber aktuelle Informationen zum Beispiel über den prognostizierten Anlageneinsatz und Nichtbeanspruchbarkeiten der Anlage übermitteln. Der BTR ist unter anderem für die Übermittlung meteorologischer Daten und die Ermittlung und Abstimmung abrechnungsrelevanter Ausfallarbeit zuständig. In der Regel werden sachkundige Dienstleister, zum Beispiel Direktvermarkter, mit der Wahrnehmung dieser Rollen betraut. Das empfiehlt auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) in seinen Erläuterungen zum Redispatch 2.0. Es steht Anlagenbetreibern aber auch frei, diese Rollen selbst zu besetzen.
Rückmeldung an SWTE Netz
Als zuständiger Netzbetreiber in Hörstel, Hopsten, Ibbenbüren, Lotte, Mettingen, Recke und Westerkappeln hat die SWTE Netz nun die betroffenen Anlagenbetreiber angeschrieben und um Mitteilung der Daten zum Anlagenbetreiber, EIV und BTR bis zum 15. Juni gebeten. Hier können sich Anlagenbetreiber zum Redispatch 2.0 online registrieren.
BU: Andre Freude und seine Kollegen aus den Bereichen Technik und Netzwirtschaft bereiten derzeit die Prozesse zum Redispatch 2.0 vor. Im Bereich der SWTE Netz gibt es ungewöhnlich viele Einspeise-Anlagen, hier eine PV-Anlage in Hörstel.